Ein Stück Berlin für lau – oder was gelbe Unterwäsche mit blauem Aufdruck damit zu tun haben kann

Kommentar eines Unterpächters zur aktuellen Lage:

 

Ein Teil der über 100jährigen Berliner Kleingartenkolonie Oeynhausen soll platt gemacht werden, oder besser einem Finanzinvestor zur Entwicklung eines Wohnbauprojektes ich den Rachen gesteckt werden.

 

Ich möchte an dieser Stelle gar keine Einzelheiten der traurigen Geldvermehrungsposse – einen Quadratmeter Kleingarten für 6,45 € kaufen und mit Hilfe von grandiosen Anwälten zu Bauland zu machen, warum engagiert Berlin eigentlich nicht solche Anwälte? – sondern vielmehr Alternativen für „the day after“ der Räumung der Gärten aufzeigen.

 

Die traditionsreiche Kolonie wurde seit jeher von Anwohnerinnen und Anwohnern, Joggern, Hundefreunden und Spaziergängern genutzt. Bänke luden zum Verweilen in der Sonne ein und bei der für alle offenen Gastronomie konnte man auftanken. Der gemeine Kleingärtner stiftete frisches Obst und Gemüse, Honig, Kräuter. Ab und zu war auch mal eine Tasse Kaffee oder ein Erfrischungsgetränk drin. Die trübe Luft über der „Schlange“ wurde durch das Kaltluftentstehungsgebiet, das höchste Empfindlichkeit gegenüber einer Nutzungsintensivierung aufwies gereinigt und die Sportlerinnen und Sportler konnten am angrenzenden Sportplatz frische Luft atmen. Aber völlig egal, denn die Pharmaindustrie braucht ja auch einen Markt für Therapien gegen COPD.

 

Da mit der „Entwicklung“ eines Großteils der Anlage zu einem Wohngebiet viele der bisherigen Nutzungen wegfallen, muss man natürlich über Alternativen nachdenken. Nehmen wir beispielsweise den viel beschworenen Wohnungsmangel – hier sei nur am Rande erwähnt, dass Charlottenburg-Wilmersdorf auf Platz 2 der qm Wohnfläche pro Einwohner, direkt nach Zehlendorf kommt. Der Investor baut hier weder im sozialen, noch genossenschaftlichen Kontext, sondern gehobene Quartiere für kaufende Eigentümer. Der Einfluss auf die angrenzenden Mietpreise und die soziale Struktur lassen bereits jetzt voraussehen, aber im Vergleich zu München haben wir in Berlin ja auch noch deutlich Luft nach Oben.

 

Außerdem soll das ganze prekäre Pack ja ohnehin auf bspw. Wohnschiffen, Kasernen, Moment… haben wir nicht in Hohenschönhausen noch Zellen frei?… verfrachtet werden – „Studenteneltern aufgepasst“ hatte damals auch eine andere Bedeutung. Sieht ja auch für das Wohnumfeld viel besser aus und ist auch sozial verträglich/zumutbar.

 

Nun aber im Detail und zu Veranstaltungen wie bspw. Kinder-, Sommer- und Erntedankfest, Seniorenweihnachtsfeier, Martinsumzug, etc.: Das geringste Problem wird das Kinderfest werden. Die Gören pferchen wir in die Rosengärten – ehemals Kolonie Würtemberg – denn das Nobelquartier ist von allen Seiten mit schweren Toren abgeriegelt; man bleibt halt gern unter sich. So können die kleinen Racker auch nicht Gefahr laufen und auf die befahrenen Straßen rennen. Den Martinsumzug machen wir gemeinsam mit der Seniorenweihnachtsfeier auf dem Friedhof Wilmersdorf und im Krematorium. Die Kinder können mit ihren Laternen über den Friedhof marschieren und dabei noch ein wenig Natur samt Fauna (Eichhörnchen und Vögel) genießen. Parallel dazu feiern die Senioren im vorgeheizten Krematorium. Und sollte dem Einen oder Anderen ob der traurigen Situation das Herz brechen… na prima, dann haben die Laternenkinder gleich noch ein wenig Grillduft in der Luft.

 

Das hätte man sich alles sparen können, wenn die Politik etwas mehr Mut beweisen würde und endlich beginnt zu kämpfen. Aber wer weiß, vielleicht tragen einige der Sozialdemokraten ja auch gelbe Unterwäsche mit blauer Aufschrift. Nicht das ich das gut fände, aber die Liberalen hätten uns wenigstens offen und ehrlich abgezockt.

 


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