News-Update

Gundstücksspekulation in der Kleingartenkolonie Oeynhausen


Werden die Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlung am Donnerstag, den 21. Februar 2013, ihren Beschluss vom 17. Januar zurücknehmen, mit dem „grünes Licht“ für die Verwertungsinteressen des Eigentümers gegeben worden ist?

 

Mit dem erwähnten Beschluss wollte die BVV mehrheitlich die Weichen für ein Bauvorhaben stellen, zu dem folgende jüngere Geschichte in Erinnerung zu rufen ist:

 

  • Zur Umsetzung des Flächennutzungsplans hat das Bezirksamt im Jahr 2009 beschlossen, einen Bebauungsplan für den Nordteil der Kolonie („Oeynhausen Nord“) aufzustellen, der als zulässige Nutzung „Grünfläche/Kleingärten“ ausweist. Der Nordteil umfasst 302 Kleingartenparzellen und das Vereinsheim auf insgesamt knapp 9,3 ha.
  • Ein entsprechender Entwurf für den Bebauungsplan liegt seit 2010 vor (BPlan IX-205a). Das Bezirksamt hat sich bislang gescheut, ihn zu erlassen, weil der Grundstückseigentümer Lorac - eine Tochtergesellschaft des texanischen Investors Lone Star - für diesen Fall Schadensersatzforderungen in zweistelliger Millionenhöhe angekündigt hat. Das Grundstück hatte Lorac zuvor für 598.060 € (6,45 € pro m²) von der Post erworben
  • Lorac gründet dieses Ansinnen auf den bestehenden, noch nicht an den Flächennutzungsplan angepassten Baunutzungsplan von 1958, der eine dreigeschossige Wohnbebauung ausweist. Das Bezirksamt hat sich seitdem - trotz ermutigender Rechtsgutachten - gescheut, der Bebauungsabsicht Loracs eine eindeutige Absage zu erteilen.
  • Um nicht weiter dem Vorwurf der Untätigkeit ausgesetzt zu sein, hat das Bezirksamt Lorac nun angeboten, – vorbehaltlich der Zustimmung der Bezirksverordnetenversammlung und der zu beteiligenden Senatsstellen – die Hälfte des Grundstücks (rd. 4,5 ha) mit der doppelten Bebauungsdichte (6 Stockwerke) zu bebauen. Dafür soll Lorac eine Grünflächen-Festsetzung auf dem Rest des Areal klaglos hinnehmen.

 

In diesem Sinne hat die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf am 17. Januar 2013 auf Antrag der Grünen mit Zustimmung der SPD und gegen CDU, Piraten und Linke u.a. beschlossen (BVV Ch-Wi Drs 0466/4),

 

  • „den bisherigen Geltungsbereich des Bebauungsplanentwurfs IX-205a“ (= Oeynhau-sen Nord mit Festsetzung Grünfläche/Dauerkleingärten) „auf eine östliche Teilfläche zu reduzieren, um für mindestens 50 % der Parzellen eine planungsrechtliche Sicherung als Dauerkleingärten zu erreichen und der Übertragung dieser Fläche in das Eigentum des Landes Berlin zuzustimmen,
  • für die westliche Teilfläche eine Wohnbebauung im Geschosswohnungsbau mit bis zu sechs Geschossen im Rahmen eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes zu ermöglichen, deren Verkehrsanbindung von der Forckenbeckstraße her zu sichern ist.“

 

Dies ist eine Steilvorlage für Lorac. Ändert sich an der Beschlusslage nichts, muss Lorac nun eigentlich nur noch unter Beigabe eines konkreten Vorhaben- und Erschließungsplans einen Antrag auf Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans stellen. Es hätte sich dann gelohnt, vehement Verwertungsinteressen einzufordern, auch wenn diese (planungs-)rechtlich ohne Grundlage sind.

 

Wird den Fraktionen der BVV noch auffallen, wessen Karren sie ziehen, und wird bis zur nächsten Sitzung am Donnerstag in die BVV ein Dringlichkeitsantrag eingebracht, der diese Fehlentscheidung rückgängig machen soll? An Hinweisen aus den Reihen der Kleingärtner hat es hierzu nicht gefehlt.

 

Die Kleingärtner der Kolonie Oeynhausen fordern die Beauftragung eines unabhängigen Gutachters, der unter Vorlage des Schreibens von Prof. Finkelnburg vom 28.11.2011 die darin beschriebenen Verkehrswerte konkret ermittelt, damit abwägungsfehlerfrei eine Beurteilung des Schadensrisikos durch die BVV erfolgen kann. Sie erwarten weiterhin von der Bezirksvertretung, dass vor einer grundsätzlichen Entscheidung für oder gegen eine Überbauung der Kleingartenkolonie die Bürgerschaft und die Planungsbetroffenen an der Entscheidungsfindung mitgestaltend beteiligt werden. Am Anfang dieses Verfahrens muss die gemeinsame Formulierung des Projektziels liegen. Öffentlich müssen Alternativen erörtert werden. Dazu müssen alle Fakten auf den Tisch und geeignete Formen der Bürgerbeteiligung gefunden werden. Erst dann kann das in Rede stehende Großbauprojekt mit seinen Alternativen zur Abstimmung gestellt werden. Die Kleingartenkolonie hat diesen Weg mit dem Bürgerbegehren bereits beschritten. Es liegt jetzt an der BVV, ob sie die ausgestreckte Hand annimmt.

 

Damit die Zielfindungsphase im Dialog mit der Bürgerschaft stattfinden kann, muss im Vorfeld eine Veränderungssperre nach §14 BauGB zur Sicherung des erwähnten, noch im Verfahren befindlichen Bebauungsplanentwurf IX-205a erlassen werden, damit die bezirklichen Planungen vom Grundstückseigentümer nicht unterlaufen werden können.

 

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2013 02 19 Pressemitteilung.pdf
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  • Termin: 21.02.2013 um 17:00 Uhr im BVV-Saal
    Zu Oeynhausen gibt es derzeit einen Antrag und eine Große Anfrage, beides von den Piraten, die das auch hier kommentiert haben: "Pressemitteilung der Fraktion zum Oeynhausen-Komplex". Die Piraten haben auch einen Antrag zur Inventuraufnahme von Kleingartenanlagen im Bezirk und der jeweiligen planungsrechtlichen Situation und Eigentumsverhältnisse, die dann im Internet veröffentlicht werden soll.

    Dringlichkeitsanträge können immer kommen, deshalb hier wie immer der Link direkt zur Tagesordnung der BVV-Sitzung. Dort können auch die Anträge eingesehen werden (Klick auf die jeweilige Drucksache).

    Die CDU hat 2 Anträge bzgl. der Sicherung von Kleingartenanlagen eingebracht, einmal Kolonie am Hohenzollerndamm und einmal Kolonie Bundesallee. Hier auch die Pressemitteilung der CDU zu dem Teilbebauungs-Beschluss der BVV im Januar.    


  • Im Rahmen der Reihe "Mission Bundestagsmandat" hat der Kiezblog sich den Grünen und der Kolonie Oeynhausen gewidmet und einen offenen Brief an Lisa Paus verfasst. Es sind einige Kommentare nachzulesen, unter anderem einer von Frau Centgraf, eine Antwort von Frau Paus gibt es bisher trotz Ankündigung leider nicht.  

  • Der Landesverband der Kleingärtner Berlin hat seinen ersten Newsletter 2013 herausgegeben. Titel: "Berliner Kleingärtner fordern Gesamtkonzeption für eine grüne soziale Stadt und werden dabei von vielen Bezirksbürgermeistern unterstützt."
  • VDGN Pressemeldung vom 21.01.2013: "Verdrängung von Kleingärten in Berlin beenden / VDGN fordert Programm für baurechtliche Sicherung als Dauerkleingartenanlagen"

 


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Kommentare: 5
  • #1

    Siegfried Schlosser (Mittwoch, 20 Februar 2013 13:14)

    wir Piraten haben uns das zu Herzen genommen und für die BVV einen Dringlichkeits-Beschlussantrag formuliert.
    Im Webangebot der BVV ist der noch nicht, aber ich hab dazu in meinem Blog was geschrieben: http://sigiberlin.de/archives/338

  • #2

    Thorsten Laatsch (Mittwoch, 20 Februar 2013 22:19)

    Siggi - mein Lieblingspirat!!!

    Hallo Herr Schlosser ;-)

    die Piraten haben nicht nur eine tolle Flagge, sondern auch nen Ar*#~ in der Hose. Obwohl eigentlich traurig, dass man für die Wahrheit Mut braucht.

    Ich bin sehr gespannt, was in der BVV passieren wird. Und wieder geht ein DICKES Dankeschön an die Piraten! Sie tun uns keinen Gefallen, sondern machen einfach "nur" ihren Job als Volksvertreter. Hut ab für diesen Pragmatismus, das Engagement und die Nachhaltigkeit.

    Die Grünen haben da wohl den Zug verpasst... Eigentum vernichtet (im weitetsten Sinne nach Dr. Heise - Architekt der der Grünen).

    Der Kampf geht weiter!

    Thorsten Laatsch

  • #3

    Der Sozialdemokrat (Mittwoch, 20 Februar 2013 22:27)

    Ich schäme mich für meine Partei, meiner SPD. Ich möchte nicht, dass es heißt: Wer hat uns verraten, die Sozialdemokraten ... !!!". Mir ist bekannt, dass die Aussagen der SPD Berlins zur Bevölkerungsprognose über 250.000 neuen Einwohnern skandalöses Wunschdenken von skrupellosen mit bestimmten Investoren verbandelten Parteigenossen ist (Wunschdenken: Aussage von Prof. Harald Michel von der Humboldt-Universität zu Demografie) und die Realität verkehren. Ich wünsche mir auch in Schmargendorf endlich kontrollierte sozial bezahlbare Wohnungen und keine gewissenlose Gentrifizierung von Anwohnern durch die SPD. Wie kann es sein, dass in ganz Berlin ständig über Neubauten von Groth zu Super - Luxuswohnungen berichtet wird, aber kein Wort und kein Schutz über die schon laufende Gentrizifierung von alten, eingesessenen Bürgern Berlins stattfindet. Ich werde nie Genosse der Bosse (Hedgefonds Lone Star und Superinvestor Groth) und fordere dieses auch endlich von der berliner Landes - SPD.

  • #4

    sommer (Donnerstag, 21 Februar 2013 07:59)

    Hallo Sozialdemokrat!

    vielleicht schaust DU ja einfach mal bei uns vorbei....

    :-)

  • #5

    Siegfried Schlosser (Donnerstag, 21 Februar 2013 09:17)

    aufgrund zweier Anträge dazu wird die BVV im März eine weitere Einwohnerversammlung zum Thema durchführen.

    ich hatte auf der letzten vorgeschlagen, daß die Betroffenen doch selbst in eigener Regie eine Versammlung durchführen sollten, weil dann sie und nicht die BVV die Zügel in der Hand haben. Frau Stückler, die damals die Versammlung geleitet hat und auch für die nächste als Versammlungsleiterin vorgesehen ist, hat mir am Ende der letzten Versammlung gesagt, daß sie das - also die Durchführung in Regie der Kleingärtner - für eine sehr gute Idee halte. Angesichts des Ablaufs kann ich nur sagen: recht hat sie.

    Natürlich ist dabei einiges zu beachten, unter Anderem muß die Frage des Veranstaltungsortes gut überlegt sein: in bezirklichen Einrichtungen ist dann eine Miete zu zahlen. Als Veranstalter hat man Hausrecht, aber auch die Pflicht, Rechtsverletzungen zu unterbinden.

    Man muss es abwägen. Ich fände aber eine Veranstaltung(sreihe) unabhängig von der BVV (und den Parteien) sinnvoller als die doch recht formalistischen Veranstaltungen, die die BVV auf Grundlage des Bezirksverwaltungsgesetzes bieten kann.

    Vielleicht überlegen die Verantwortlichen hier im Verein mal in die Richtung....