Bericht zum Stadtentwicklungsausschuss im Abgeordnetenhaus

Er könnte kurz ausfallen, dieser Bericht. Die kürzeste und trotzdem zutreffende Variante wäre: wichtige Fragen, inhaltsleere Antworten.

 

Auf der Tagesordnung der Antrag der Linken zu dem es eine Anhörung geben sollte. Als Anzuhörende geladen waren mehrere Stadträte (incl. Herrn Schulte), die allesamt wichtigere Termine hatten und nicht erschienen waren. Weiterhin Herr Landgraf, der Präsident des Landesverbandes Berlin der Kleingärtner, sowie - und das war doch etwas überraschend - Dr. Bernhard Haass von der Kanzlei Probandt & Partner, der im Fall Oeynhausen den Investor vertritt und das 50 Mio-Gutachten geschrieben hat.

 

Geladen war er als Fachmann für die Darstellung der rechtlichen Probleme bei der Sicherung von Kleingärten auf privaten Flächen. Welche Motive der Tatsache zu Grunde liegen, dass hier ausgerechnet jemand angehört wird, dessen Gutachten vom Bezirk selbst um schlappe 25 Mio nach unten korrigiert wurde, wird uns wohl ein ewiges Rätsel bleiben. Zu Gute halten muss man ihm allerdings, dass er keinen Hehl aus der Tatsache gemacht hat, dass er den Investor im Fall Oeynhausen vertritt und dies gleich zu Beginn kundtat. 

 

Herr Dr. Haass ist offensichtlich wenig begeistert davon, dass der Senat nun noch ein viertes Gutachten in Auftrag gegeben hat. Laut Auskunft von Staatssekretär Gaebler (SPD) soll es dabei um die Frage gehen, ob das Grundstück erschlossen ist oder nicht. Die Antwort darauf ist entscheidend für die Beurteilung der Entschädigungsfrage (Details dazu hier). Dementsprechend wird auch gleich eine neue Entschädigungsbaustelle geschaffen, die bisher keiner der Gutachter thematisiert hat. Dr. Haass steht nun auf dem Standpunkt, dass selbst wenn die 7-Jahresfrist abgelaufen und damit keine Entschädigung fällig wäre, dann die Sonderopferregelung greift und doch entschädigt werden muss. 

 

Bleibt also Raum für weitere Gutachten, schauen wir mal, wie lange sich die Bezirksverordneten hier noch an der Nase herumführen lassen.

 

Der Ausschussvorsitzende ist auch gleichzeitig im Beirat der TLG Immobilien GmbH, die im Dezember 2012 für 1,1 Mrd. ihre ostdeutschen Gewerbeimmobilien an Lonestar (Muttergesellschaft von Lorac) verkauft hat. Auf die Feststellung von Herrn Landgraf, dass bei dem geschätzten Zuwachs der Bevölkerung in den kommenden Jahren Kleingärten geschaffen werden müssten, um alleine die derzeitige Versogung zu erhalten, bemerkte er, dass die Zuzügler ja zunächst mal eine Wohnung brauchen.   

 

Im Verlauf der Anhörung wurden viele gute Fragen an die Anzuhörenden und den Senat gerichtet. Insbesondere die Grünen (Frau Kapek und Dr. Altug) und die Linke (Frau Lombscher und Frau Platta) waren sehr gut vorbereitet, auch Herr Evers (CDU) stellte kritische Fragen, hier einige Beispiele (die Protokolle der Sitzungen im Abgeordnetenhaus sind hier abrufbar, dauert aber einige Zeit):

 

  • Warum vertritt der Senat seit über einem Jahr eine eigene Rechtsauffassung (Gelände erschlossen, 7-Jahresfrist ist abgelaufen), teilt diese dem Bezirk aber nicht mit?
  • Wie will der Senat den Bezirken unterstützend unter die Arme greifen?
  • Wird der Senat die Zuständigkeit für das Verfahren an sich ziehen?
  • Welche Position hat Senator Müller zur Bebauung von Kleingärten?
  • Welchen Schutz bietet der Kleingartenentwicklungsplan überhaupt?
  • Was muss getan werden, um auch Kleingärten auf privaten Flächen zu sichern?
  • Wie wird der Landesverband an der Diskussion um den Kleingartenentwicklungsplan und andere Planungen beteiligt?
  • Der Flächennutzungsplan wurde lange nach dem Baunutzungsplan aufgestellt, auch dort gab es eine Abwägung, wie geht man dabei mit den vorhandenen Festlegungen (z.B. BNP) - auch in anderen Bundesländern um?
  • Wie sieht man die Bebauung von Kleingartenflächen nach §13a BauGB ohne Umweltverträglichkeitsprüfung?
  • Wie kam es überhaupt zur Schutzfristenregelung?
  • Für wie viele Grundstücke gilt der BNP überhaupt noch und gibt es neue Erkenntnisse im Umgang damit?
  • Welche Ersatzflächen für Kleingärten sind derzeit vorgesehen?
  • Welche Kriterien gibt es für die Sonderopferregelung?
  • Wie ist die derzeitige Rendite von Lorac bezogen auf den Kaufpreis?
  • Wie viele Kleingärten sind in den letzten Jahren vernichtet worden und wie sehen die Wartelisten derzeit aus?
  • Wie steht der Senat zur Anerkennung von Kleingartenflächen als Ausgleichsflächen?
  • Wie erfolgt die Abwägung zwischen Wohnen, Kleingärten und sozialer Infrastruktur?

 

Als Zuschauer, fleißig mitschreibend und gespannt auf die Antworten wartend, wunderte man sich schon, wie sich die Befragten alle Fragen merken sollen um sie dann auf einmal zu beantworten.

 

So naiv kann wohl nur jemand sein, der noch nie in einer Ausschusssitzung im Abgeordnetenhaus war, denn auch hier geht es nur darum, die Frage zu stellen, niemand rechnet auch nur mit einer Antwort. Gelebte Demokratie. So vergingen 2,5 Stunden, der Antrag der Linken wurde vertagt, die Sitzung war vorbei. 

 

Welche Priorität Kleingärten im Abgeordnetenhaus haben kann man auch gut daran ablesen, dass der Antrag der Linken (gestellt am 21.03.2013) 7 Monate benötigt hat, um auf der Tagesordnung des Ausschusses zu landen. Dagegen ein mustergültiger Antrag der Koalition mit dem Titel "Wohnungsneubau, bezahlbares Wohnen und Liegenschaftspolitik", Drucksache 17/1153, von der Antragstellung bis über die Behandlung in 2 Ausschüssen und zum Beschluss im Plenum nicht einmal 2 Monate benötigt. Mit diesem Beschluss wird den Bezirken als "Anreiz für die zügige Genehmigung von Baugenehmigungen" pro errichteter Wohnung eine Prämie von 500 EUR zugestanden - um den Wohnungsneubau anzukurbeln. Macht bei 700 Wohnungen 350.000 EUR. Welche Miete die Wohnungen nachher haben, spielt dabei keine Rolle.

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Kommentare: 3
  • #1

    Holger J. (Samstag, 23 November 2013 12:53)

    Danke für den informativen Bericht! Aus den Zeilen springt die Enttäuschung über den parlamentarischen Popanz. Gelebte Demokratie??? Es ist längst verlebte Demokratie!!!

  • #2

    B. Schulz (Samstag, 23 November 2013 20:08)

    Auch wir danken recht herzlich für die schnelle und detaillierten Infos. Es zeugt von fehlender Verantwortung der politisch zuständigen Gremien. Leider. Diese Demokratie bedarf ständiger Wiederbelebungsversuche - nicht einfach, doch die einzige Chance. Recht herzlichen Dank für dieses tolle Tagebuch, für die viele Arbeit und die Zeit für uns alle.
    B. und W. Schulz

  • #3

    Holger (Mittwoch, 24 September 2014 15:21)

    Toller Bericht! Echt Super!!!