Die großen Fragezeichen des neuen Gutachtens

Die Informationen über das neue Gutachten sind spärlich. Im Folgenden werden die wenigen Details zusammengefasst, den bekannten Aussagen der bisherigen Gutachter gegenübergestellt (jeweils mit Verweis oder Abdruck der Originalquelle) und offene Fragen formuliert.


 

Offene Fragen:

 

  • Ein Grundstück hat im Jahr 2000 einen Verkehrswert von 28 Mio. und im Jahr 2014 einen Verkehrswert von 36 Millionen. Wie erklärt sich der Verkehrswert im Jahr 2008 i.H.v. 598.000 EUR ? Was ist wertbeeinflussend zwischen 2000 und 2008 passiert?

    Schauen wir uns die Angaben aus dem Bezirk zu den planungsrechtlichen Grundlagen an, so lautet die Antwort: Nichts. Im Gegenteil, alle wertbeeinflussenden planungsrechtlichen Faktoren haben sich bereits weit vor dem Jahr 2000 geändert:
  • Warum zitieren Bezirksbürgermeister Naumann und Stadtrat Schulte einen Wert aus dem Jahr 2014, obwohl alle durch den Bezirk und das Land beauftragten 5 Gutachten auf die Anwendung der Vorwirkungsrechtsprechung des BGH für den Fall Oeynhausen eingehen?
  • Wie sind die nachfolgend zitierten Aussagen der früheren Gutachter (insbesondere von Prof. Finkelnburg, der die Basis für das neueste Gutachten lieferte) "chancenloses Rohbauland", "aus der weiteren konjunkturellen Entwicklung ausgeschlossen" mit einem Wert von 28 Mio in Übereinstimmung zu bringen?
  • Waren dem neuen Gutachter alle Aussagen der vorhergehenden Gutachter (siehe auch nachfolgend zitiert) bekannt?
  • Werden wir Antworten auf diese Fragen bekommen und wird uns das Gutachten zugänglich gemacht?

Entscheidende Faktoren bei der Ermittlung der Entschädigunghöhe sind:

 

  1. Welcher Stichtag wird der Bewertung zugrunde gelegt (Zeitpunkt, Jahreszahl)
  2. Welche Qualität wird für die Bewertung zugrunde gelegt (Bauland, Rohbauland, Bauerwartungsland, Nichtbauland)
  3. Wertbeeinflussende Faktoren: Planungsrecht, Vergleiche, Bodenrichtwerte, Entwicklungskosten, Räumungskosten, Entschädigungskosten, Wartezeit

 

Nach eigener Aussage hat Stadtrat Schulte für das aktuelle Gutachten 2 Werte abgefragt, Rohbauland im Jahr 2000 und baureifes Land im Jahr 2014. Warum baureifes Land im Jahr 2014 abgefragt wird ist - zumindest anhand der nachfolgenden Aussagen in allen fünf bisher von Bezirk und Land beauftragten Gutachten – nicht nachvollziehbar. Nach Auskunft mehrerer Fraktionen der BVV ist diese Beauftragung nicht mit ihnen abgestimmt worden und ist alleinige Entscheidung von Stadtrat Schulte.

 

Informationen zu dem neuesten Gutachten, August 2014:

 

  • es wurden 3 Angebote von Gutachtern eingeholt, den Zuschlag erhielt Dr. Walter Schwenk 
  • Ergebnis: Im Jahr 2000 als Rohbauland soll der Verkehrswert bei 28 Mio und im Jahr 2014 als baureifes Land 36 Mio betragen.
  • welche Unterlagen dem Gutachter vorlagen ist bisher unbekannt
  • es gab nicht ausreichend Vergleichsgrundstücke
  • Kosten für das Gutachten: im fünfstelligen Bereich

 

Informationen aus dem 5. Gutachten von Prof. Finkelnburg vom 16.06.2014:

 

  • Die Entschädigungshöhe bemisst sich nach dem Verkehrswert. Rechtsgrundlage sind die §§ 93 ff BauGB, im Detail (was ist dabei zu berücksichtigen und was nicht) insbesondere § 95 BauGB.
  • Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist der für die Ermittlung der Entschädigung maßgebliche Qualitätsstichtag wegen Vorwirkung vorzuverlegen, wenn in Folge dieser Vorwirkung das Grundstück bereits in der Vergangenheit aus der konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschieden ist. Es spricht Vieles dafür, dass das Grundstück durch den Aufstellungsbeschluss des B-Plan IX-205 im Jahr 2000 mit der Zweckbestimmung private Dauerkleingärten aus der konjunkturellen Entwicklung ausgeschieden ist und bei der Bemessung der Entschädigung auf das Jahr 2000 abzustellen ist.
  • Es ist zu beachten, dass Lorac die Grundstücke 2008 zum Preis von 598.000 EUR erworben hat und daher trotz der objektiven Wertminderung (Rohbauland zu Nichtbauland bei Festsetzung des B-Plans als Dauerkleingärten) subjektiv keinen Vermögensverlust erleidet.
  • Das Grundstück war zum Kaufzeitpunkt durch Lorac im Jahr 2008 Rohbauland.
  • Der Grundstücksmarkt ist bei Bauland (Qualitätsstichtag 2014), über dem das Schwert einer Herabstufung schwebt schwerlich bereit, den Preis zu bezahlen, der üblicherweise für Bauland gezahlt wird.

 

Aus dem Schreiben vom Prof. Finkelnburg an den Bezirk vom 24.08.2011 ist bekannt (Nachtrag von Prof. Finkelnburg zum dritten Gutachten): 

 

  • Es gilt die Vorwirkungsrechtsprechung. Bei der Bemessung der Entschädigung ist auf den tatsächlichen und rechtlichen Zustand der Grundstücke im Juni 2000 (Aufstellungsbeschluss des Bezirksamtes) abzustellen, also auf die Qualität der Grundstücke als Bauerwartungsland ohne konkrete Aussicht auf Erschließung
  • Der Qualitätsstichtag liegt spätestens Mitte 2000, möglicherweise früher (1986) als erstmals ein Aufstellungsbeschluss für eine Kleingartennutzung gefasst wurde. 

 

Gutachten Dr. Groth (das Erste) vom 17.06.2009, beauftragt durch den Bezirk:

Gutachten Dr. Scharmer (das Vierte) vom 13.12.2013 zur Vorwirkungsrechtsprechung, beauftragt durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung:

Am 28.11.2011 schreibt Prof. Finkelnburg an den Bezirk (Herr Schulte war gerade frisch im Amt, sein Vorgänger, Herr Gröhler stellte Nachfragen zu dem Dritten Gutachten):

und:

Kommentar schreiben

Kommentare: 4
  • #1

    Siegfried Schlosser (Montag, 25 August 2014 15:30)

    gefunden dazu:

    http://www.merkur-online.de/aktuelles/leserbriefe/titelseite/verschleuderung-volksvermoegen-448568.html

  • #2

    Urberliner (Montag, 25 August 2014 19:07)

    Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte!!! SPD - Müller, SPD - Naumann, SPD - Schulte, die Berliner SPD mit diesem Herrn Wowereit gehören abgeschafft. Noch vor 10 Jahren haben sie dem Genossen Ehrenmitglied Harri versprochen die "Kleingartenkolonie Oeynhausen" auf jeden Fall zu retten... heute ist Klaus ihr Freund! Rausschmeißen ist zu wenig!

  • #3

    FizzeFazze (Montag, 25 August 2014 23:35)

    Zu Herrn Schlosser:
    Das ist doch das, was aktuell als soziale Marktwirtschaft verkauft wird - unter mehrheitlicher Duldung der politisch aktiven Kräfte.

    Hier im Bezirk ist das wohl "sozial" "demokratische" Politik. Momentan auch noch ohne gebührende Empörung der politisch Aktiven. Schlimmer ist jedoch, dass die Presse sich darauf kapriziert, horrende Zahlen zu nennen, statt den "gutsherrenartigen" Prozess des Kundtuns zu erörtern. Eine zwei "Herren" Show als einen Pressetermin des Bezirksamtes zu verkaufen, ist schon ein starkes Stück. Das "Teile" des Bezirksamtes "wir müssen leider draussen bleiben" vor der Tür sitzen - ein öffentlicher Pressetermin zur Erinnerung - ist schon ein Skandal. Regieren jetzt Batman und Robin Charlottenburg-Wilmersdorf, oder schreitet endlich jemand in das Naumann-Schulte Drama ein.

    ... ganz, ganz guselig... ich würde mich freuen, wenn die fast 85.000 Charlottenburg-Wilmersdorfer_Innen mal die SPD-Granden fragen würden, was hier so im Bezirk abgeht. Soviel wie BezBüMei Naumann auf Facebook postet, scheinen da ja noch Reserven zum Politik machen zu sein.

  • #4

    Tanzlehrer (Sonntag, 31 August 2014 19:39)

    Leute,

    die Frage ist doch, was Lorac oder Groth gekauft haben. Gibt es darüber eine Information?

    Kaufe ich nen Ferrari, dann sind 250 Sachen kein Ding. Kaufe ich nen Bobby-Car, dann darf ich nicht 20-35 Millionen Tränen heulen, wenn es nur mit Schrittgeschwindigkeit vorwärts geht.

    Das sollten die SPD-Granden doch wissen.

    Eins, zwei - Wechselschritt