Bedrohtes Idyll - Einstieg ins Thema


Die Kolonie Oeynhausen hat eine lange Historie, leider nicht nur in Bezug auf ihr Bestehen seit 1904, sondern auch in Bezug auf die Bedrohung ihrer Existenz, von der wir Ihnen hier einen kurzen Überblick geben:

 

Bereits am 26. August 1986 wurde vom Bezirksamt Wilmersdorf ein Bebauungsplanverfahren zur Sicherung der kleingärtnerischen Nutzung eingeleitet (Bebauungsplan IX-150).

 

Die Bezirksverordnetenversammlung Wilmersdorf forderte am 16. Dezember 1999 das Bezirksamt auf, unsere Kolonie durch Festsetzung des Bebauungsplanes zu sichern. Am 20. Juni 2000 wurde der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan IX-205 (Fläche identisch mit der des Vorgängers IX-150) gefasst.

 

Aktuell geht es um den Bebauungsplan IX-205a, der vom 30.08.2010 bis zum 03.11.2010 öffentlich ausgelegt wurde. In der öffentlich zugänglichen Auslegungsbegründung lässt sich nachlesen: "Die Erhaltung und planungsrechtliche Sicherung des Schmargendorfer Kleingartenareals ist seit über 20 Jahren Ziel der BVV..." Bis heute befindet sich dieser Bebauungsplan im Verfahren und ist nicht festgesetzt worden. Die damalige Stadtentwicklungssenatorin, Frau Junge-Reyer, gratulierte dem Verein im Jahr 2004 zum 100-jährigen Bestehen und schrieb: "Nun können Sie zuversichtlich in die Zukunft blicken, denn die Kleingartenanlage Oeynhausen wird nach den Vorgaben des Flächennutzungsplanes dauerhaft erhalten bleiben."

 

Der seit 27.10.2011 zuständige Bezirksstadtrat, Marc Schulte, hat auf der Informationsveranstaltung des Bezirksverbandes der Kleingärtner Berlin-Wilmersdorf e.V. am 02.06.2012 seine und die Unterstützung der Bezirksverordnetenversammlung bekundet, den Bebauungsplan festzusetzen. Hinderungsgrund dafür sei allerdings, dass die luxemburgische Gesellschaft Lorac Investment Management S.à.r.l. (ein Tochterunternehmen der Lone Star Funds), die das Grundstück am 31.03.2008/01.04.2008 von der Deutschen Post zu einem m²-Preis von 6,45 EUR gekauft hat, diesen Bebauungsplan anfechten will und möglicherweise eine Entschädigung bzw. die Übernahme des Grundstücks einklagt. Dafür habe das Land Berlin keine finanziellen Mittel.

 

Zur Aufbringung der Mittel wünschte sich Bezirksstadtrat Marc Schulte die Beteiligung der Kleingärtnerinnen und Kleingärtner, des Bezirksverbandes und des Landesverbandes der Kleingärtner im Rahmen einer Bürgschaft. 

 

In der Zeit vom 14.07.2012 bis 25.07.2012 haben die Unterpächter der Kolonie Oeynhausen eine Unterschriftenaktion durchgeführt. Am 30.07.2012 konnten Herrn Schulte die Unterschriften der Unterpächter von 186 Parzellen übergeben werden. Diese hatten sich bereit erklärt, einen finanziellen Beitrag zur Rettung der Kolonie zu leisten. Darüber hinaus hat die Unterschriftenaktion auch außerhalb der Kolonie deutliche Kreise bei Anwohnern und Schwesterkolonien gezogen.

 

Das Interesse am Erhalt der Kolonie ist groß und auch die Bereitschaft, hier finanzielle Unterstützung zu leisten. Nun ist es an Herrn Schulte, diese Unterstützung im Sinne des Flächennutzungsplanes (dort ist die Kolonie Oeynhausen seit dem 01.07.1994 als Grünfläche mit der Zweckbestimmung Kleingärten ausgewiesen) und im Sinne des Kleingartenentwicklungsplanes (von 2004 bzw. 2010, die Kolonie Oeynhausen ist als hoch gesichert bezeichnet), zu nutzen und den Bebauungsplan zu unterzeichnen.

 

Zu der Frage, ob eine Entschädigung eine Rechtsgrundlage hat oder nicht, gibt es mittlerweile 4 Rechtsgutachten. Das Erste mit Datum vom 17.06.2009  hat weder Entschädigungs- noch Übernahmeansprüche festgestellt und ist auf der Seite des Bezirksamts veröffentlicht*. Daraufhin wurde der Bebauungsplan öffentlich ausgelegt. In derAuslegungsbegründung zu dem Bebauungsplan IX-205a ist nachzulesen: "Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass durch den vorliegenden Bebauungsplanentwurf keine Entschädigungs- oder Übernahmeansprüche gegenüber dem Plangeber entstehen".  Daraufhin reichte der Eigentümer am vorletzten Tag der verlängerten (!) Auslegungsfrist ein Gegengutachten ein (02.11.2010). Dieses fordert bei Festsetzung einer Grünfläche 50 Millionen, hilfsweise 2,3 Millionen Euro. Es ist gegen Zahlung einer Gebühr beim Bezirksamt erhältlich, der Veröffentlichung auf der Webseite hat der Gutachter widersprochen. 

 

Der Bezirk gab daraufhin ein weiteres Gutachten in Auftrag, welches die Aussagen der beiden vorherigen einbeziehen sollte. Es wurde am 21.07.2011 vorgelegt. Der damals noch zuständige Stadtrat Gröhler hatte Nachfragen an den Gutachter, die am 28.11.2011 schriftlich beantwortet wurden. Die Antwort erhielt bereits der Nachfolger von Herrn Gröhler, Herr Schulte, der seit dem 27.10.2011 Baustadtrat ist. Im Februar 2012 gab es ein persönliches Treffen mit dem dritten Gutachter. Die Abteilung Wertermittlung im Bezirk hat die Ergebnisse und Schlussfolgerungen in diesem Vermerk festgehalten, der das Ergebnis des Gutachtens wie folgt beschreibt:

 

  • Die Festsetzung der im Entwurf befindlichen B-Planung IX-205a löst keinen Entschädigungsanspruch nach § 42 BauGB aus.
  • Im Falle eines Übernahmeanspruchs (Land Berlin muss die Fläche erwerben, wird Eigentümer) bemisst sich der Marktwert des Grundstücks anhand der derzeit ausgeübten kleingärtnerischen Nutzung.
  • Der Markt- bzw. Übernahmewert entspricht, analog der rechtlichen Beurteilung nach Herrn Prof. Finkelnburg, damit dem Bodenwert für Kleingartenpachtland. Demzufolge beläuft sich der aktuelle Marktwert des Grundstücks auf rd. 870.000 EUR

Herrn Schulte lagen demnach zu Beginn seiner Amtszeit als Baustadtrat 2 vom Bezirk selbst in Auftrag gegebene Gutachten vor, eines mit dem Ergebnis kein Entschädigungsrisiko, eines mit einem als unwahrscheinlich beurteilten Risiko eines Übernahmeanspruchs in Höhe von 870.000 Euro. Die Kleingärtner sicherten eine Bürgschaft zur Abdeckung dieses Risiko zu.

 

Trotzdem ist der Bebauungsplan bis heute nicht festgesetzt. Gegenüber den Bezirksverordneten und der Öffentlichkeit spricht Herr Schulte von einem Risiko von bis zu 26 Millionen (für das er behauptet persönlich haften zu müssen), das im Widerspruch zu der Aktenlage im Bezirksamt steht. Wesentliche Unterlagen zur Beurteilung des Risikos wurden den Bezirksverordneten nicht zur Kenntnis gegeben. 

 

Im September 2013 bekamen die Kleingärtner von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unerwartet Unterstützung. In einem Schreiben wurde mitgeteilt, dass man dort das Gelände seit Jahrzehnten als planungsrechtlich erschlossen bewertet. Das hätte zur Folge, dass die 7-Jahresfrist aus § 42 BauGB bereits im Jahr 1984 abgelaufen ist und keine Entschädigung zu zahlen wäre. 

 

Und wieder wollte sich Stadtrat Schulte mit dieser Möglichkeit der Grünflächensicherung nicht anfreunden und 

...beschwerte sich bei der Senatsverwaltung:


Ein viertes Gutachten musste her, um den gegensätzlichen Auffassungen von Senat und Bezirk zu einer gemeinsamen Linie zu verhelfen. Das vierte Gutachten mit Datum vom 13.12.2013 ist über das Informationsfreiheitsgesetz einsehbar, veröffentlicht ist es nicht. Summen wurden darin nicht genannt. Zum Entschädigungsrecht finden sich dort die beiden folgenden Passagen: 


Es bleibt also die Frage, warum Bezirk und Senat über 36.000** EUR für 3 Gutachten ausgeben, von denen kein einziges eine Summe nennt, und trotzdem beide aber in der Öffentlichkeit horrende mögliche Schadenssummen nennen.

 

Nachdem die Senatsverwaltung im Januar 2014 einen Widerspruch des Eigentümers gegen die Zurückweisung eines Antrages auf Bauvorbescheid zurückgewiesen hatte, führt der Eigentümer nun eine Klage aus dem Jahr 2012 weiter. Bei dieser Klage wollen die Kleingärtner das Bezirksamt als Beigeladene unterstützen. Einen Antrag, dass diese Beiladung durch das Bezirksamt befürwortet wird gab es bereits im letzten Jahr in der Bezirksverordnetenversammlung. Der Antrag wurde von SPD und Grünen im Bezirk als "durch Verwaltungshandeln erledigt" beschieden, das Bezirksamt wird die Beiladung trotzdem nicht unterstützen.

 

Viele Anträge zu Oeynhausen, die sich unter anderem auch intensiv mit der Aktenlage im Bezirk beschäftigen sollten, wurden von der SPD - die die Kolonie angeblich retten möchte - in der Bezirksverordnetenversammlung alle abgelehnt. 

 

Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht der Stadtrat, uns Informationen vorzuenthalten. Unsere rechtlichen Ausführungen werden teilweise ungelesen zurückgesandt und mit der Bitte versehen, von weiteren Schreiben abzusehen.

 

Die 5 Ordner Bauakten zu unserem Fall würden wir nicht kennen, wenn es nicht Mitte 2013 ein Gerichtsverfahren gegeben hätte, im Rahmen dessen wir Einsicht hatten. Ende 2013 mussten wir feststellen, dass z.B. der o.g. Vermerk über die Höhe möglicher Entschädigungsforderungen nicht in den Bauakten des Bezirks war und damit auch nicht dem Gericht übergeben wurde, weil er laut Herrn Schulte "nicht sachverhaltsgemäß" sei. Die Bürgerinitiative "Schmargendorf braucht Oeynhausen" hat daraufhin eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Stadtrat Schulte eingelegt und sich die Erstattung einer Strafanzeige wegen Aktenunterdrückung vorbehalten. Bis heute wird uns durch den Stadtrat die Akteneinsicht verwehrt, die das Berliner Informationsfreiheitsgesetz nach § 10 Abs. 2 ab dem Zeitpunkt der Aufstellung eines Bebauungsplanes ermöglicht.

 

Wir sind also dankbar für jede noch so kleine Information die Licht in die geschilderten Vorgänge bringt. Insbesondere zu der Frage, warum hier offensichtlich wider besseren Wissens behauptet wird, man wolle uns sichern, könne dies aber nicht. Warum jemand, der behauptet uns retten zu wollen, nicht bereit ist, mit uns gemeinsam eine Strategie dazu zu entwerfen. Über Hinweise dazu freuen wir uns - auf Wunsch auch anonym unter der Redaktions-Email

 

Am 28.01.2014 hat das Bezirksamt das Zustandekommen des Bürgerentscheides erklärt und den Termin dafür auf den Europawahltag, den 25.05.2014, gelegt. Die Bürger von Charlottenburg-Wilmersdorf haben dann die Möglichkeit, selbst über das Schicksal der Kolonie zu entscheiden.

 

Am 31.01.2014 hat die Bezirksverordnetenversammlung das Bezirksamt aufgefordert, zur Umsetzung der Planungsziele des Kleingartenerhalts für die Kolonie Oeynhausen den Bebauungsplan IX-205a weiter zu verfolgen. Für eventuelle Bauanträge oder Bauanzeigen die Zurückstellung einzuleiten und ggf. noch erforderliche weitere Schritte der Sicherung bis zur Festsetzung als private Kleingartenfläche zu ergreifen.

 

Über aktuelle Ereignisse berichten wir in unserem Tagebuch

 

Vielen Dank für Ihr Interesse!   

 

* Ergänzung: Die Veröffentlichung der Gutachten 1 und 3 erfolgte erst auf Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Ende Februar 2013. Selbst die Mitglieder der BVV konnten die Gutachten erst Ende September 2012, also 14 Monate bzw. 3 Jahre nach ihrem Entstehen einsehen. Unser erster Antrag auf Einsichtnahme nach dem Informationsfreiheitsgesetz erfolgte im Juli 2012 und wurde mehrmals abgelehnt. Erst Ende November 2012 haben wir alle bis dahin vorliegenden 3 Gutachten erhalten. 

 

** Die Honorare sind über Einwohnerfragen in der Bezirksverordnetenversammlung bzw. Kleine Anfragen im Abgeordnetenhaus bekannt.